Wer an Irland denkt, hat meist sofort dieses spezielle Grün vor Augen. Doch sobald die Wanderstiefel irischen Boden berühren, merkt man schnell: Diese Insel ist weit mehr als eine Postkartenidylle. Sie ist rau, unberechenbar und von einer fast mystischen Stille geprägt, die man in Mitteleuropa kaum noch findet. Wandern in Irland bedeutet nicht, alpine Höhenmeter zu fressen. Der Carrauntoohil, der höchste Berg der Insel, misst gerade mal 1.039 Meter. Nein, hier geht es um die Weite, das Licht und den ständigen Kampf mit den Elementen.
Es ist diese Mischung aus dramatischer Küstenlinie und einsamem Hochmoor, die Wanderer immer wieder zurückzieht. Du läufst stundenlang über federnden Torfboden, während links der Atlantik gegen die Felsen donnert und rechts Schafe kauend den Weg blockieren. Es ist eine ursprüngliche Art der Fortbewegung, die den Kopf freimacht wie kaum etwas anderes.
Bevor es in die Wildnis geht, muss die Anreise geklärt sein. Irland verfügt über ein recht gutes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln, doch viele der schönsten Startpunkte für Wanderungen liegen abgelegen. Der Linksverkehr auf schmalen, von Hecken gesäumten Straßen ist für viele Festlandeuropäer eine Hürde, die Stress verursacht, noch bevor der Urlaub richtig begonnen hat.
Wer sich den Stress am Steuer sparen möchte und dennoch viel vom Land sehen will, hat Alternativen. Eine organisierte Busreise durch Irland ist oft der entspannteste Weg, um die verschiedenen Regionen kennenzulernen oder zu spezifischen Wandergebieten zu gelangen, ohne ständig auf die Karte schauen zu müssen. So lässt sich die Energie für die eigentlichen Etappen sparen. Von den großen Knotenpunkten wie Dublin, Cork oder Galway aus lassen sich dann gezielt die Nationalparks ansteuern.
Das Wetter in Irland ist kein Klischee, es ist eine Tatsache. Man kann bei strahlendem Sonnenschein loslaufen, nach zwei Stunden im Hagel stehen und den Tag bei mildem Nieselregen beenden. Darauf musst du vorbereitet sein. Baumwolle hat im Wandergepäck nichts verloren. Sie saugt sich voll und kühlt den Körper aus. Stattdessen gehört funktionale Kleidung im Zwiebelprinzip an den Körper.
Noch wichtiger ist das Schuhwerk. Irische Wanderwege sind oft nass. Und damit ist nicht nur Pfützenwasser gemeint. Viele Pfade führen durch Moore (Bogs). Ein falscher Tritt, und man steckt bis zum Knöchel im schwarzen Schlamm. Wasserdichte Stiefel der Kategorie B/C sind daher Gold wert. Gamaschen werden oft belächelt, sind in Irland aber der beste Freund des Wanderers. Sie verhindern, dass Wasser und Matsch von oben in die Schuhe laufen. Wer hier spart, läuft Gefahr, die Tour mit nassen, kalten Füßen abzubrechen.
Die Auswahl an Routen ist gewaltig. Für den Einstieg bieten sich die Wicklow Mountains südlich von Dublin an. Der "Wicklow Way" ist der älteste markierte Fernwanderweg Irlands und führt durch spektakuläre Täler wie Glendalough mit seiner berühmten Klosterruine. Das Terrain ist hier noch verhältnismäßig moderat und die Wege sind gut ausgeschildert.
Wer es wilder mag, zieht weiter in den Westen. Der "Kerry Way" auf der Iveragh-Halbinsel bietet einige der dramatischsten Küstenabschnitte Europas. Hier spürt man die Kraft des Ozeans bei jedem Schritt. Noch einsamer wird es in Connemara oder im County Donegal im hohen Norden. Dort teilt man sich die Landschaft oft nur noch mit den allgegenwärtigen Schafen. Die Markierungen können hier spärlicher sein, weshalb Karte und Kompass – und die Fähigkeit, sie zu benutzen – zur Grundausstattung gehören sollten, falls der Nebel plötzlich einfällt.
Ein Wandertag in Irland endet selten am Parkplatz. Er endet im Pub. Das ist kein Saufgelage, sondern ein kultureller Eckpfeiler. Nach sechs Stunden im Wind gibt es kaum etwas Besseres, als sich an einem Torffeuer aufzuwärmen, ein Stew zu essen und ein Pint zu trinken. Hier kommt man ins Gespräch. Die Iren sind neugierig und gastfreundlich. Oft bekommt man am Tresen die besten Tipps für die nächste Etappe oder erfährt Geschichten über die Gegend, die in keinem Reiseführer stehen. Diese Geselligkeit ist der perfekte Kontrapunkt zur einsamen Weite des Tages und macht den Reiz Irlands komplett.